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Am 23.03.2016 haben zwei Eigentümer von Wohnhausgrundstücken im Stadtteil Bergheim-Rheidt einen Antrag auf Normenkontrolle gegen den Bebauungsplan Nr. 261/Na „Anschlussfläche Braunkohlenkraftwerk Niederaußem“ der Kreisstadt Bergheim beim Oberverwaltungsgericht Münster eingereicht. Der Bebauungsplan soll das notwendige Planungsrecht für den Bau eines neuen Braunkohlenkraftwerkes mit einer Feuerungswärmeleistung von 3.304 MW-thermisch schaffen. Hierzu hat die Stadt Bergheim ein entsprechendes Sondergebiet mit einer Fläche von etwa 25 ha sowie weitere, maximal bis zum 31.12.2023 befristete Baustelleneinrichtungsflächen mit einer weiteren Fläche von 31 ha ausgewiesen. Das geplante Kraftwerk soll über einen 180 m hohen Kamin, ein 150 m hohes Dampferzeugergebäude sowie das Kraftwerk und einen Hybridkühlturm jeweils mit einer Höhe von 100 m verfügen.

Die Antragsteller machen mit dem Normenkontrollantrag geltend, dass der Bau eines neuen Braunkohlenkraftwerkes mit den Zielen und Grundsätzen des Klimaschutzgesetzes NRW, des geltenden Landesentwicklungsplanes NRW sowie auch den künftigen Zielen und Grundsätzen des neuen Landesentwicklungsplanes NRW nicht vereinbar sei. Die Klimaschutzziele verfolgten vorrangig den Ausbau der erneuerbaren Energien, deren Speicherung und deren Transport. Der Bau eines neuen Braunkohlenkraftwerkes sei in den gesetzlichen Zielen und Grundsätzen nicht vorgesehen und auch als „Übergangstechnologie“ nicht notwendig. Dementsprechend hätte sich der Vorhabenträger auch in den Verfahren nicht verpflichtet, das geplante Kraftwerk zu bauen. Hätte objektiv eine Notwendigkeit für den Neubau eines Braunkohlenkraftwerkes, das in erheblichem Umfang die Ressource Braunkohle in Anspruch nehme und Treibhausgasemissionen verursache, bestanden, hätte zwingend auch eine Bauverpflichtung vereinbart werden müssen, was jedoch unterblieben sei. Da zudem Standortalternativen im Bereich der bestehenden Kraftwerksstandorte Frimmersdorf und Niederaußem im Falle des Rückbaus stillgelegter Anlagen bestanden hätten, sei die Inanspruchnahme des Freiraums in einer Größenordnung von 25 ha sowie bis zu 61 ha während der Baustelleneinrichtungszeit auch nicht.

Die Planungen seien darüber hinaus auch deswegen fehlerhaft, da der nach dem Trennungsgrundsatz und der Abstandsliste vorgesehene Abstand von mindestens 1500 m zu schutzwürdigen Wohngebieten erheblich unterschritten würde. Der empfohlene Mindestabstand werde nicht nur gegenüber einem Siedlungsbereich, sondern gegenüber vier Siedlungsbereichen mit mehreren tausend Einwohnern erheblich unterschritten, bezogen auf den Stadtteil Niederaußem sogar über 1000 m. Diese erheblichen Unterschreitungen seien nicht hinreichend gerechtfertigt, da die Stadt Bergheim nicht sicher gestellt habe, dass künftig nur noch unerhebliche Umweltauswirkungen mit dem Kraftwerksstandort verbunden seien.

So habe die Kreisstadt Bergheim darauf verzichtet, zugunsten der betroffenen Stadtteile und Anwohner und zur Erreichung von Klimaschutzzielen verbindliche Festsetzungen zu treffen. So sei darauf verzichtet worden, den Wirkungsgrad des Kraftwerkes, eine gebotene Kraft-Wärmekoppelung, die Kühlturmart als Hybridkühlturm, eine Kontingentierung der Lärmemissionen sowie den Ausschluss von störfallrechtsrelevanten Betriebsbereichen nach den Seveso-Richtlinien im Bebauungsplan selbst verbindlich und dauerhaft festzusetzen. Die Planungen würden in Folge dessen gegen den Grundsatz der Konfliktbewältigung in mehrfacher Hinsicht verstoßen. Eine bilaterale vertragliche Regelung allein mit dem Vorhabenträger sei nicht gleichwertig und auch nicht ausreichend.

Erschwerend komme hinzu, dass die Ermittlung und Bewertung der Lärmimmissionen an gravierenden Fehlern leide. Die gutachterlichen Untersuchungen hätten gezeigt, dass bereits jetzt flächendeckend an zahlreichen Wohngebäuden in den betroffenen Siedlungsbereichen die zulässigen Richtwerte überschritten würden. Es hätte dafür Sorge getragen werden müssen, dass der Anlagenbetreiber zunächst die ohnehin geltenden Richtwerte einhält, bevor Planungsrecht für ein weiteres Kraftwerk geschaffen werde. Sofern die Stadt Bergheim die planerische Zielsetzung verfolgt habe, die Lärmimmissionen durch entsprechende Minderungsmaßnahmen im städtebaulichen Vertrag für die Nachbarschaft zu verbessern, sei dieses Ziel nicht erreicht worden. Denn zum einen sei die Durchführung dieser Maßnahmen nicht davon abhängig, dass der Bebauungsplan in Kraft trete, sondern dass der Vorhabenträger das neue Kraftwerk auch tatsächlich baue – sollte hingegen keine positive Bauentscheidung getroffen werden, werde der derzeitige Zustand, der durch flächendeckende Richtwertüberschreitungen geprägt sei, zu Lasten der betroffenen Siedlungsbereiche ungelöst beibehalten. Die angenommenen Verbesserungen für die Nachbarschaft würden zum Teil darauf beruhen, dass die an sich geltenden Richtwerte flächendeckend auf Zwischenwerte vor allem im Nachtzeitraum erhöht würden, deren Einhaltung dann nachgewiesen werde. Von einer Verbesserung der Situation für die Anwohner, insbesondere im Stadtteil Niederaußem, könne daher nicht die Rede sein.

Auch die Ermittlung und Bewertung der Auswirkungen der Verschattung und der Schwaden durch den Kraftwerksstandort sei fehlerhaft erfolgt. Auch im Falle der Stilllegung von Anlagen werde sich die Situation nicht gegenüber allen betroffenen Stadtteilen verbessern, insbesondere nicht hinsichtlich der Stadtteile Rheidt und Hüchelhoven. Aufgrund der Vorbelastung durch die verbleibenden Kraftwerksblöcke und deren Kühltürme einerseits sowie den weiteren Beitrag des Hybridkühlturms werde sich dort die Situation nicht verbessern, sondern im Gegenteil weiter verschlechtern. Die planerische Zielsetzung einer Verbesserung für alle Stadtteile sei damit nicht erreicht worden.

Es spreche schließlich vieles dafür, dass es sich nur um eine bauplanungsrechtlich unzulässige Vorratsplanung handle. Der Vorhabenträger habe sich nicht verpflichtet, das Kraftwerk tatsächlich zu bauen und in Betrieb zu nehmen. Auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sei die Inbetriebnahme des neuen Kraftwerkes nicht notwendig. Für ein Erreichen der durchschnittlichen 5000 bis 7000 jährlichen Volllastbetriebsstunden bei Elektroversorgungsunternehmen könnten bereits jetzt die Blöcke C, D, E und F ohne weiteres stillgelegt werden. Zu berücksichtigen seien schließlich auch die weiteren bundespolitischen Entwicklungen im Jahre 2015, insbesondere eine Eckpunktevereinbarung des Vorhabenträgers mit der Bundesregierung vom 01.07.2015. Es sei hiernach beabsichtigt, die Regeln für das technische Einsatzkonzept und die Vergütung für die Notfallbereithaltung gesetzlich zu verankern. Diese weiteren bundespolitischen Entwicklungen könnten dazu führen, dass sich auch der Bebauungsplan Nr. 261/Na sowie die 125. Flächennutzungsplanänderung der Kreisstadt Bergheim nicht mehr als städtebaulich erforderlich erweisen würde und in Folge dessen wieder aufzuheben seien.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Planungen nun umfassend auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen.

Ansprechpartner: 

alexander beutling grDr. Alexander Beutling
Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Telefon: 0221-973002-74
E-Mail: a.beutling[at]lenz-johlen.de

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