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Nach einer Entscheidung des OLG Zweibrücken (Urteil vom 01.10.2012 - 7 U 252/11) dürfte es künftig für einen Auftragnehmer im Rahmen eines öffentlichen Auftrages nahezu ausgeschlossen sein, sich auf die Unverhältnismäßigkeit eines Nachbessserungsverlangens zu berufen.

Der Einwand der Unverhältnismäßigkeit der Mangelbeseitigung ist nach st. Rechtsprechung des BGH immer dann gerechtfertigt, wenn der Nachbesserungserfolg bei Abwägung aller Umstände des Einzelfalles in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür erforderlichen Aufwandes steht. Allein wegen immenser Kosten darf die Nachbesserung somit nicht verweigert werden, es kommt auch entscheidend auf das Interesse des Auftraggebers an einer ordnungsgemäßen Erfüllung an.

Im Rahmen der durchzuführenden Interessenabwägung ist nach der Entscheidung des OLG Zweibrücken nun für öffentliche Auftraggeber zu beachten, dass eine wesentliche Änderung eines dem Vergaberecht unterliegenden Vertrages als Neuvergabe zu werten ist. Ein bestehender Vertrag darf daher nicht in wesentlichen Punkten geändert werden, ohne dass eine erneute Ausschreibung erfolgt.

Beruft sich ein Auftragnehmer auf die Unverhältnismäßigkeit der Nachbesserung und verweigert damit die Herstellung des vertraglich geschuldeten Zustandes, wird dadurch der Vertragsinhalt (Gegenstand der Ausschreibung) geändert. Hätten nun alle Bieter von vorneherein damit rechnen dürfen, (lediglich) das sich aus der geänderten Ausführung ergebende Leistungssoll erfüllen zu müssen, hätte sich dies in den meisten Fällen auf die Kalkulation ausgewirkt. In diesem Fall würde der Wettbewerb in unzulässiger Weise eingeschränkt, so dass eine wesentliche Vertragsänderung naheläge. Die Klärung, ob eine wesentliche Vertragsänderung vorliegt, ist auf vergaberechtlicher Ebene allerdings für jeden Einzelfall anhand der Kriterien der grundlegenden "pressetext"- Entscheidung des EuGH (Urteil vom 19.06.2008 - Rs. C-454/06) gesondert durchzuführen.

Praxishinweis:

Auf die vergaberechtliche Einzelfallbewertung bzgl. der Frage, ob die geänderte Ausführung zu einer Vertragsänderung führt, dürfte es nach der Entscheidung des OLG Zweibrücken im Rahmen der zivilrechtlichen Abwägung der Parteiinteressen an der Nachbesserung nun nicht mehr entscheidend ankommen. Das Gericht stellt fest, dass schon das sich aus jeder Wertung ergebende Restrisiko für den öffentlichen Auftraggeber dafür spricht, ein objektives Interesse an der Nachbesserung zu bejahen und gegenüber den hohen Kosten für den Auftragnehmer als vorrangig zu werten.

Es sind damit nur noch seltene Konstellationen denkbar, in denen ein Nachbesserungsverlangen unverhältnismäßig sein kann. Dies könnte - unabhängig vom Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - in engen Grenzen z.B. dann der Fall sein, wenn die (mangelhafte) Ausführung im Ergebnis aufwändiger war als die geschuldete und sich damit wahrscheinlich nicht positiv auf die Kalkulation anderer Bieter hätte auswirken können. Denkbar wäre auch, dass der Auftragnehmer nach genauer Prüfung und Wertung, dass im Ergebnis keine relevante Vertragsänderung vorliegt, die sich für den öffentlichen Auftraggeber ergebenden Restrisiken vertraglich übernimmt. Hierfür wären ggf. ausreichende Sicherheiten zu stellen. 

Martin Hahn
Rechtsanwalt

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