Nach der Hochwasserkatastrophe durch das Tief „Bernd“ im Juli 2021 stellt sich in vielen Fällen die Frage, wer für die Folgen einer Überschwemmung haften kann.

Denkbar sind im Allgemeinen eine Haftung wegen einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht sowie der Gewässerunterhaltungspflicht, zum anderen Amtshaftungsansprüche wegen Verletzung der Amtspflicht zur Gewährleistung eines wirksamen Hochwasserschutzes oder nicht rechtzeitiger oder nicht ausreichender Warnung vor der bevorstehenden Überschwemmung. Denkbar ist daneben ein Anspruch aus enteignendem oder enteignungsgleichem Eingriff (OLG Hamm, Urt. v. 23.07.2010 – 11 U 145/08). Katastrophenartige Unwetter können in Fällen, in denen die Schäden nicht dem Risiko der Anlage Gewässer, sondern der Naturkatastrophe als von außen kommenden Drittereignis zugerechnet werden, zu Haftungsausschlüssen führen.

Obliegt einem Hoheitsträger die sog. Unterhaltungslast für ein Gewässer (§ 39 Abs. 1 WHG), ist er insbesondere verpflichtet, das Gewässerbett zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Abflusses zu erhalten und das Gewässer selbst, soweit erforderlich, von Feststoffen zu räumen und zu reinigen. Wird ein Betroffener durch eine Verletzung der Unterhaltungspflicht in seinem Eigentum geschädigt, kann ihm ein aus § 823 Abs. 1 BGB folgender Schadensersatzanspruch zustehen. Ein solcher Anspruch kann in den Fällen ausgeschlossen sein, in denen höhere Gewalt schadensursächlich geworden ist. Ein Haftungsausschluss wegen der Wirkungen elementarer Naturkräfte setzt jedoch voraus, dass das Schadensereignis mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste, nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden konnte. Der Unterhaltungspflichtige muss, um eine Haftung zu vermeiden, deshalb auch bei einem außergewöhnlichen Naturereignis das ihm Zumutbare zur Verhütung von Schäden tun. Der Verantwortliche kann sich nicht allein auf außergewöhnlichen Starkregen berufen, sondern muss nachweisen, dass er alle technisch möglichen und mit wirtschaftlich zumutbarem Aufwand realisierbaren Sicherungsmaßnahmen ergriffen hat, um eine geordnete Ableitung des Wassers zu gewährleisten oder dass sich der Schaden auch bei Ergreifen derartiger Maßnahmen in gleicher Weise und in gleichem Umfang ereignet hätte.

Verletzt ein Hoheitsträger seine Verpflichtung zur Gewährleistung eines effektiven Hochwasserschutzes, kommt ein Amtshaftungsanspruch in Betracht, sofern Überschwemmungsschäden ursächlich auf die Verletzung zurückzuführen sind. Der Hoheitsträger ist verpflichtet, alle erkennbar gebotenen, durchführbaren und wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen zur Ableitung des nach den örtlichen Verhältnissen anfallenden Oberflächenwassers zu treffen. Welche Anforderungen an das Entwässerungssystem zu stellen sind, hängt dabei maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Dimensionierung muss an die tatsächlichen abwasserwirtschaftlichen und -technischen sowie an die topographischen Verhältnisse angepasst sein. Nach der Rechtsprechung ist im Rahmen der Bewertung auszugehen von der Menge des abzuführenden Wassers. Daneben sind die örtlichen Gegebenheiten des Wasserlaufs zu berücksichtigen, seine Funktion, der Verlauf, Art und Charakter sowie das Höhenniveau des durchflossenen Gebiets und die Wasserführung. Die im Interesse eines ordnungsgemäßen Wasserabflusses bereits getroffenen Maßnahmen und die möglichen Auswirkungen weiterer Vorkehrungen sind ebenso zu bedenken wie die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß eines zu befürchtenden Schadens im Verhältnis zur Durchführbarkeit und den Kosten von Abwehrmaßnahmen. Ferner können Ansprüche in Betracht kommen, wenn nicht rechtzeitig oder nicht ausreichend vor der bevorstehenden Überschwemmung gewarnt worden ist.

Ansprüche aus enteignendem oder enteignungsgleichem Eingriff sind nach der Rechtsprechung – auch neben einem bestehenden Amtshaftungsanspruch – in Betracht zu ziehen, wenn hoheitlich in eine als Eigentum geschützte Position eingegriffen wird, mithin eine hoheitliche Maßnahme bei einem Betroffenen unmittelbar eine Beeinträchtigung seines Eigentums herbeiführt, die er aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen hinnehmen muss, die aber die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren übersteigt, weil ihm dadurch ein besonderes, anderen nicht zugemutetes (Sonder-)Opfer für die Allgemeinheit abverlangt wird. Entsprechend den Wertungen des deliktischen Schadensersatzanspruchs kann ein Anspruch aus enteignendem bzw. enteignungsgleichem Eingriff jedoch bei außergewöhnlichen Naturereignissen ausscheiden, wenn der Hoheitsträger alle technisch möglichen und wirtschaftlich zumutbaren Sicherungsmaßnahmen ergriffen hat, um den Schaden abzuwenden.

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