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In Deutschland nimmt die Zahl der mit dem Corona Virus infizierten Menschen nach wie vor weiter zu. Mit den aktuellen Betriebsschließungen, die eine massive Einschränkung des Wirtschaftsverkehrs zur Folge haben, versuchen Bund, Länder sowie Kommunen und Städte eine weitere Ausbreitung des Erregers zu verlangsamen. Ökonomen erwarten durch die aktuelle Krise einen der stärksten Wirtschaftseinbrüche der Nachkriegszeit. Unter den Folgen der Krise leiden aktuell zahlreiche Unternehmen sowie Selbstständige.

Vor diesem Hintergrund tritt für Unternehmer die Frage in den Vordergrund, ob sie einen gesetzlichen Entschädigungsanspruch für die angeordneten Betriebsschließungen geltend machen können. Soweit davon auszugehen ist, dass die jeweilige Anordnung der Schließung rechtmäßig erfolgt ist und daher die Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen ausscheidet, kommen zunächst die spezialgesetzlichen Entschädigungsregelungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) als Anspruchsgrundlage in Betracht.

Eine Anspruchsgrundlage für Entschädigungsansprüche ist § 65 IfSG. Nach dieser Norm besteht ein Entschädigungsanspruch für nicht nur unwesentliche Vermögensnachteile, die durch präventive Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten nach §§ 16 und 17 IfSG verursacht werden. Die vorliegend relevanten Maßnahmen der Bundesländer, Kommunen und Städte werden jedoch überwiegend auf Grundlage von § 28 Abs. 1 IfSG getroffen, weil es sich angesichts der bundesweiten Ausbreitung der Krankheit um Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten handelt. Für solche Maßnahmen gilt die Entschädigungsregelung des § 65 Abs. 1 IfSG dem Wortlaut nach gerade nicht.

Eine weitere Anspruchsgrundlage für Entschädigungen ist § 56 IfSG. Danach kann eine Entschädigung für die Fälle verlangt werden, in denen Betroffene aufgrund der Anwendung des IfSG einen Verdienstausfall erleiden. In der Breite wird diese Anspruchsgrundlage dem Wortlaut nach nicht weiterhelfen, da die Entschädigungsregelung des § 56 IfSG nur für einen begrenzten Personenkreis, nämlich für sog. Ausscheider, Ansteckungsverdächtige, Krankheitsverdächtige oder  sonstige Träger von Krankheitserregern gilt. So dürfte die Regelung z.B. zur Anwendung kommen, wenn der Betreiber eines Geschäftes aufgrund einer Infektion in die Quarantäne muss und den Betrieb nicht aufrechterhalten kann. Wer hingegen als Selbständiger seinen Beruf nicht ausüben kann, da ihm die Ausübung seiner Tätigkeit aufgrund einer Allgemeinverfügung bzw. Verordnung verboten ist, fällt nicht in den Betroffenenkreis des § 56 IfSG.

Die Regelungssystematik des IfSG führt also dazu, dass dem Träger eines Krankheitserregers ein Anspruch auf Entschädigung eingeräumt wird,  Betroffene, deren Unternehmen lediglich zum Schutz der Allgemeinheit geschlossen sind, hingegen leer ausgehen. Angesichts der eingetretenen Auswirkungen erscheint zweifelhaft, ob diese erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen tatsächlich ohne Entschädigung hinzunehmen sind. Daher ist die Frage berechtigt, ob das Infektionsschutzgesetz die richtige Ermächtigungsgrundlage für die aktuellen Maßnahmen bietet, obwohl es Betriebsschließungen ohne Einzelfallprüfung nicht ausdrücklich regelt und dementsprechend auch keine Entschädigungsregelung für diesen Fall beinhaltet. Dieser Umstand und die Tatsache, dass  trotz der unzureichenden Regelungsdichte des IfSG weitreichende Betriebsschließungen auf dieses Gesetz gestützt werden, sprechen für eine entsprechende Anwendung der Entschädigungsregelung im § 56 IfSG für Gewerbebetreibende, deren Betrieb von den aktuellen Maßnahmen ohne eigene Infektion betroffen sind.

Des Weiteren ist es zweifelhaft, ob die Entschädigungsregelungen des IfSG als spezialgesetzliche Regelungen abschließend sind und somit weitere Ansprüche, z.B. die in den Ordnungsbehördengesetzen vorhandenen Entschädigungsregelungen (z.B. § 39 Abs. 1 a i.V.m § 19 OBG NRW), ausschließen. Hiergegen spricht die Gesetzesbegründung zum IfSG, in der ausdrücklich klargestellt wird, dass die Entschädigungsregelungen des IfSG nicht abschließend sind.

Praxistipp:
Ob die Gerichte bei diesem höchst umstrittenen Thema die vorstehende Einschätzung der Rechtslage teilen, werden künftige Gerichtsentscheidungen zeigen. Den Betroffenen Unternehmern ist jedenfalls mit Blick auf einen möglichen Anspruch zu empfehlen, den durch die Betriebsschließungen entstandenen Schaden für den Monat März zeitnah zu ermitteln und bei der zuständigen Behörde mit einem Antrag geltend zu machen. Hierbei ist insbesondere im Blick zu behalten, dass einige der auf das IfSG gestützte Entschädigungsansprüche innerhalb einer dreimonatigen Frist ab Schließung geltend gemacht werden müssen.

 

Nima Rast

Nima Rast
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Telefon: 0221-973002-25
E-Mail: n.rast[at]lenz-johlen.de

 

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