Reform des Bauvertragsrechts zum 01.01.2018

Inzwischen ist das neue Bauvertragsrecht in der Praxis angekommen. Die Regelungen gelten für Verträge, die nach dem 1.1.2018 abgeschlossen werden. Die Gesetzesreform bringt  wesentliche Neuerungen mit sich, die es gilt, sowohl in der Vertragsgestaltung, wie auch in der Vertragsabwicklung zu beachten.
 
I. Neuerungen im Kaufvertragsrecht mit Relevanz für Werkverträge
Nach Werkvertragsrecht haftet der Unternehmer seinem Besteller im Falle der Lieferung und Einbau einer mangelhaften Sache verschuldensunabhängig im Rahmen der Gewährleistung auch für Aus- und Einbaukosten. Er selbst erhielt aber - nach Kaufrecht - von seinem Verkäufer nur die Materialkosten (es sei denn, dieser hätte schuldhaft mangelhaft geliefert). Nunmehr hat der Unternehmer auch seinerseits gegenüber seinem Verkäufer einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Erstattung der Aus- und Einbaukosten (§ 439 Abs. 3 BGB n.F.).
 
II. Änderungen im allgemeinen Werkvertragsrecht
1.
Der fiktiven Abnahme wird größere Effektivität eingeräumt (§ 640 Abs.2 BGB n.F.). Nunmehr kann ein Werk auch bei wesentlichen Mängeln fiktiv abgenommen werden, vorausgesetzt (a) dem Besteller wurde eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt und (b) das Werk ist fertig gestellt, es sei denn, der Besteller widerspricht der Abnahme unter Angabe von mindestens einem Mangel. Auch ein eigentlich „nicht abnahmefähiges“ Werk kann mithin unter den Voraussetzungen dieser fiktiven Abnahme als abgenommen gelten. Der Auftraggeber hat allerdings die Möglichkeit dem entgegenzuwirken; muss aber aktiv werden.
2.
Die Höhe von Abschlagszahlungen wird an den tatsächlichen Wert der bis dahin erbrachten Leistungen gekoppelt (anstelle des bisherigen „Wertzuwachses beim Besteller“). Mängel werden in angemessener Höhe berücksichtigt.
3.
Der Gesetzgeber hat ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund kodifiziert (§ 648 a BGB). Damit verbunden wurde eine neue Regelung eingeführt, dass nach einer solchen Kündigung die Parteien verpflichtet sind, an einer Feststellung des Leistungsstandes mitzuwirken, um den Leistungsstand zu diesem Zeitpunkt beweisbar festzuhalten.
 
III. Der neue Bauvertrag, §§ 650 a) ff. BGB
1.
Mit der Reform hat der Gesetzgeber – erstmalig – definiert (§ 650 a BGB n.F.), was ein Bauvertrag sein soll und welche gesetzlichen Regelungen für diesen gelten. Der Gesetzgeber hielt allein die werkvertraglichen Regelungen nicht für ausreichend, insbesondere vor dem Hintergrund, das Bauverträge oft eine längerfristige Zusammenarbeit der Bauvertragsparteien mit sich bringen und die beauftragten Leistungen im Zuge dieses dynamischen Bauprozesses oft auch Änderungen bedürfen. Diese Änderungen können einen unterschiedlichen Ursprung haben, sei es dass der Auftraggeber sich zwischenzeitlich entscheidet, einen anderen Erfolg herbeizuführen oder sei es dadurch, dass die Parteien bei der Beauftragung etwas übersehen haben, was einer nachträglichen, ergänzenden Beauftragung bedarf.
Der Gesetzgeber hat den Bauvertrag nunmehr wie folgt definiert:
„Ein Bauvertrag ist ein Vertrag über die Herstellung, die Wiederherstellung, die Beseitigung oder den Umbau eines Bauwerkes, einer Außenanlage oder eines Teils davon. …
Ein Vertrag über die Instandhaltung eines Bauwerks ist ein Bauvertrag, wenn das Werk für die Konstruktion, den Bestand oder den bestimmungsgemäßen Gebrauch von wesentlicher Bedeutung ist.“ (§ 650 a, Abs. 1 und 2 BGB)
Nicht jeder Vertrag bei einem Bauvorhaben ist demnach ein Bauvertrag. Für Bauverträge gelten die Regelungen des Werkvertragsrechts und es treten ergänzende Regelungen nach den §§ 650 a) ff. BGB n.F. hinzu. Bemerkenswert ist, dass der Gesetzgeber nicht etwa die bereits seit langem vorhandenen Regelungen der VOB/B übernommen hat. Er hat vielmehr eigenständige Regelungen entwickelt, die sich zum Teil zwar an die Regelungen der VOB/B anlehnen, zum Teil aber auch deutliche Unterschiede aufweisen. Diese werden auch bei einer Inhaltskontrolle nach AGB-Recht im Falle von Inhaltskontrollen einzelner VOB/B Klauseln künftig zu berücksichtigen sein.
2.
Neu geschaffen wurde eine Systematik, wie mit Änderungen im Bauablauf umzugehen ist und welche Vergütungsfolgen daraus abzuleiten sind.
Wird eine Änderung notwendig, gibt der Gesetzgeber den Vertragsparteien zunächst verpflichtend auf, ein Einvernehmen anzustreben. Dies ist das vorrangige Ziel des Gesetzgebers. Zugleich sind allerdings Mechanismen vorgesehen, die beim Scheitern dieses Einvernehmens die Änderungen trotzdem umsetzbar machen sollen.
a)
Der Unternehmer wird verpflichtet (§ 650 b BGB n.F.), ein Angebot für die Änderungen vorzulegen. In dem Fall, dass sich allerdings der vereinbarte Erfolg ändert, also ein anderes Leistungsziel weiterverfolgt wird, muss er ein Angebot nur vorlegen, wenn ihm die Ausführung der Änderung zumutbar ist.
Über dieses Angebot sollen die Parteien dann verhandeln. Führt dies nicht zu einer Einigung, hat der Auftraggeber nach 30 Tagen die Möglichkeit, die Änderung auch einseitig anzuordnen.
Im Gegenzug erhält der Unternehmer nach § 650 c BGB aber auch die Möglichkeit, sich Liquidität zu verschaffen. Geschuldet wird danach i.d.R. eine angepasste Vergütung und zwar in Höhe der tatsächlich erforderlichen Kosten, zzgl. angemessener Zuschläge für Geschäftskosten und Gewinn. Kommen die Parteien nicht über die Höhe der Vergütung überein, kann der Unternehmer 80 % seines Angebotes für die abgeänderten Leistungen als Abschlagsforderung verlangen (sofern auch die weiteren Voraussetzungen für die Fälligkeit einer Abschlagsforderung vorliegen). Eine endgültige Abrechnung erfolgt dann aber nach Abnahme des Bauvorhabens. Zuviel-Zahlungen sind dann verzinst zurückzuzahlen. Dadurch soll einer überhöhten Angebotsstellung und Abschlagsrechnung für derartige geänderte Leistungen entgegengewirkt werden.
b)
Um eine möglichst effektive und schnelle Umsetzung dieser Regelung zu gewährleisten und Verzögerungen im Bauablauf möglichst zu vermeiden, hat der Gesetzgeber die Schwelle zur Durchführung von einstweiligen Verfügungsverfahren bei Streitigkeiten über das Anordnungsrecht gem. § 650 b BGB n.F. und die korrespondierende Vergütung (§ 650 c BGB n.F.) herabgesetzt. Die besondere Eilbedürftigkeit (Verfügungsgrund), wird nunmehr gesetzlich vermutet. Zudem wurden bei den Landgerichten verpflichtend Baukammern eingerichtet, die gewährleisten sollen, dass die zu erwartenden Verfügungsverfahren auch möglichst effektiv und schnell durchgeführt werden können. Im Zusammenhang mit der Möglichkeit der Durchführung von einstweiligen Verfügungsverfahren wird sich den Parteien auf der anderen Seite auch die Frage stellen, ob nicht im Einzelfall die Eingabe einer Schutzschrift geboten sein wird.
c)
Neu aufgenommen wurde im Gesetz eine Zustandsfeststellung bei Verweigerung der Abnahme (§ 650 g BGB n.F.). Dadurch soll die Gefahrtragung des Auftragnehmers nach § 644 BGB im Falle der Abnahmeverweigerung entschärft werden.
d)
Ferner wurde das Erfordernis einer prüffähigen Schlussrechnung auch im BGB aufgenommen (§ 650 g Abs. 2 BGB n.F.).
e)
Für Kündigungen des Bauvertrages wurde außerdem ein Schriftformerfordernis eingeführt (§ 650 h BGB n.F.).
 
IV. Verbraucherbauvertrag
Ein Verbraucherbauvertrag liegt vor, bei einem Vertrag mit einem Verbraucher, über den Bau eines neuen Gebäudes oder erheblicher Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude (§ 650 i BGB).
Der Gesetzgeber sieht bei derartigen Verträgen ein erhebliches finanzielles Risiko und damit eine Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers. Zugunsten der Verbraucher wurden daher mehrere Schutzvorschriften und Informationspflichten im BGB aufgenommen. Insbesondere wurden umfassende Regelungen aufgenommen, welche Unterlagen dem Verbraucher zur Verfügung gestellt werden müssen. Dem Verbraucher ist eine Baubeschreibung zu übergeben, für die wiederum gesetzlich Mindestinhalte festgelegt worden sind. Diese sollten die Vertragsparteien vor Vertragsschluss kennen; der Umfang der geschuldeten Angaben ist relativ groß.  Es wurde eine Obergrenze für Abschlagsforderungen eingeführt und es werden vom Gesetz verbindliche Angaben zur Bauzeit gefordert.
Außerdem hat der Gesetzgeber zugunsten des Verbrauchers ein Widerrufsrecht für Verbraucherbauverträge eingeführt (§ 650 l BGB). Insofern wird auf die bereits bekannten Konstruktionen zum Widerrufsrecht nach § 355 BGB verwiesen (2-Wochen-Frist). Der Verbraucher muss im Übrigen über sein Widerrufsrecht belehrt worden sein. Ansonsten beginnt die Widerrufsfrist nicht.
 
V. Architekten- und Ingenieurverträge
1.
a)
„Durch einen Architekten- und Ingenieurvertrag wird der Unternehmer verpflichtet, die Leistungen zu erbringen, die nach dem jeweiligen Stand der Planungen und Ausführung des Bauwerks und der Außenanlage erforderlich sind, um die zwischen den Parteien vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen.“
Diese Definition umschreibt, was nach dem Gesetzgeber als Architekten- und Ingenieurvertrag angesehen wird. Es ist ersichtlich, dass nicht alle Verträge, bei denen das Honorar den Regelungen der HOAI unterliegt, Architekten- oder Ingenieurverträge im Sinne des § 650 p BGB n.F. sind.
Die neuen Regelungen zum Architektenvertrag enthalten einen Verweis auf werkvertragliche Regelungen und ergänzen diese.
b)
Neu geschaffen zum 01.01.2018 wurde im Bereich des Architektenrechts eine sogenannte „Zielfindungsphase“. Diese Regelung soll die Thematik abfedern, ob eine vergütungsfreie Akquisitionsleistung vorliegt oder schon ein honorarpflichtiger Architektenvertrag. Wenn wesentliche Planungs- und Überwachungsziele noch nicht vereinbart sind, muss der Architekt zunächst eine Planungsgrundlage schaffen und übergeben, sowie eine Einschätzung zu den Kosten. Diese Planungsgrundlage und Kosteneinschätzung hat er dem Besteller zur Zustimmung vorzulegen. Nach Vorlage dieser Unterlagen hat der Auftraggeber ein Sonderkündigungsrecht (§ 650 r BGB n.F.). In diesem Fall werden dann nur die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen zu vergüten sein. Ein Verbraucher muss bei Vorlage der Planungsgrundlage und der Kosteneinschätzung über sein Kündigungsrecht aufgeklärt werden. Ansonsten besteht auch weiterhin das Sonderkündigungsrecht nach § 650 r BGB n.F.
c)
Ferner wurde ein Recht auf Teilabnahme gesetzlich verankert.
d)
Zugunsten der Architekten wurde in Fällen der gesamtschuldnerischen Haftung zwischen dem objektüberwachenden Architekten und dem ausführenden Unternehmer eine vorrangige Inanspruchnahme des Unternehmers in das Gesetz aufgenommen. Der Architekt kann die Leistung verweigern, solange nicht dem ausführenden Bauunternehmer, der für einen Mangel haftet, vom Besteller zunächst eine Frist zur Nacherfüllung bestimmt worden ist.
 
VI. Bauträgerverträge
In § 650 u BGB wurde eine Definition eingeführt, was ein Bauträgervertrag ist. Dies soll zunächst allerdings ein „Platzhalter“ sein. Es wurde lediglich klargestellt, dass hinsichtlich der Errichtung und Umbauleistung Werkvertragsrecht gelten soll und hinsichtlich auf Übertragung des Eigentums das Kaufvertragsrecht. Ansonsten geht der Gesetzgeber davon aus, dass im Zuge künftiger Gesetzgebungsverfahren noch detailliertere Regelungen zum Bauträgervertrag in das Gesetz aufgenommen werden.

VII.
Das neue Bauvertragsrecht bringt praxisrelevante Neuerungen mit sich. In mehreren Details begegnen die Regelungen auch Bedenken. Es bleibt der Praxis überlassen, das neue Bauvertragsrecht praxisgerecht umzusetzen.

Ansprechpartner:
 
felix pauliEberhard Keunecke
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Telefon: 0221-973002-66
E-Mail: e.keunecke[at]lenz-johlen.de