Unter dem Titel „Das digitalisierte Verwaltungsverfahren“ fand die diesjährige Wintertagung der Arbeitsgemeinschaft Verwaltungsrecht NRW am 08.12.2023 als Online-Tagung statt. Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Verwaltungsrecht, Herr Dr. Michael Oerder, Lenz und Johlen Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, begrüßte die rund 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor ihren Bildschirmen und führte in die Veranstaltung ein.

Mit dem Thema „Das Paradoxon des digitalen Verwaltungsverfahrens“ eröffnete Herr Univ.-Prof. Dr. Hinnerk Wißmann, Kommunalwissenschaftliches Institut an der Universität Münster, die Tagung. Ausgehend von der Arbeitsthese, dass eine KI technisch dazu in der Lage wäre, für und anstatt des Menschen eigenständige Verwaltungsentscheidungen zu treffen, sei das Paradoxon in Folgendem zu sehen: Verwaltungsentscheidungen stellen die Ausübung von Herrschaftsmacht dar (Art. 20 Abs. 2 Grundgesetz). Durch den Einsatz von KI findet jedoch eine Verschiebung vom Mensch zur Maschine statt. Zugleich werden Verfahren und Entscheidungen im Modell besser, je weniger sie vom Fehlerfaktor Mensch abhängen. Dies führe dazu, dass je digitaler, desto besser werden die Verwaltungsentscheidungen, jedoch auch desto undemokratischer. Die daran anschließende Diskussionsrunde befasste sich mit dem verfassungsrechtlichen Recht auf eine gute Verwaltung sowie einer möglichen (Schein-)Lösung, dass die Maschine lediglich Entwürfe erstelle und der Mensch diese kontrolliere.

Im Anschluss daran referierte Herr Univ.-Prof. Dr. Ulrich Stelkens, Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, zu den „verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der Digitalisierung des Verwaltungsverfahrens“. Nach einer Einführung in das Verwaltungsverfahren, das Verwaltungsverfahrensrecht sowie den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen thematisierte Herr Stelkens die Digitalisierung des Verwaltungsverfahrens unter Berücksichtigung des Bestimmtheitsgrundsatzes. Der Schwerpunkt des Vortrages befasste sich sodann dem simulierten Gesetzesvollzug durch Digitalisierung und Automatisierung des Verwaltungsverfahrens sowie dem (Grund-)Recht auf ein effektives digitalisiertes Verwaltungsverfahren als Abwehrrecht gegen eine analoge und schlecht digitalisierte Bürokratie. Im Anschluss an diesen Vortrag befasste sich die Diskussionsrunde vertiefend mit den Problemen des simulierten Verfahrens (Plausibilitätskontrolle als Vollzugsdefizit) sowie dessen Unterschiede zu dem analogen Verfahren.

Nach der Mittagspause gab Herr Ministerialrat Lorenz Prell, Bundesministerium des Innern - Referat Verwaltungsverfahrensrecht u.a, einen „Überblick über die gesetzlichen Grundlagen und die elektronische Bekanntgabe von Verwaltungsakten“. Herr Prell stellte in diesem Überblick die tatbestandlichen Voraussetzungen sowie dessen Bedeutung für die Praxis der §§ 3a, 37, 41 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), § 2 EGovernment-Gesetz (EGovG) sowie §§ 8, 9 Onlinezugangsgesetz (OZG) heraus. Die an den Vortrag anschließende Diskussion befasste sich mit dem Verhältnis der oben genannten Vorschriften zueinander sowie der am Tage des Vortrages verkündeten Änderung (5. VwVfÄndG, BGBl.: 08.12.2023) des § 3a VwVfG.

Es folgte ein Vortrag von Herrn Rechtsanwalt Tom Brägelmann, Annerton Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Berlin, zu der „Digitalisierung des Verwaltungsverfahrens – Chancen für den Rechtsanwalt“. Im Rahmen dieser Live-Präsentation stellte Herr Brägelmann verschiedene KI-Dialogsysteme, namentlich u.a. ChatGPT, Claude.ai sowie Bryter, vor. Hierbei zeigte Herr Brägelmann die verschiedenen bereits jetzt bestehenden Einsatzmöglichkeiten auf; insoweit wurden im Rahmen der Live-Präsentation durch die Dialogsysteme exemplarisch Sachverhaltszusammenfassungen von Beschlüssen und Urteilen sowie Entwürfe einer Beschwerdeschrift sowie eines Darlehensvertrages erstellt.

Zum Abschluss referierte Herr Rechtsanwalt Dr. Stefan Bischoff, Wolter Hoppenberg Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Münster, zu dem „Einsatz von ChatGPT und anderer Kl bei der anwaltlichen Tätigkeit“. Nach einer kurzen Einführung, u.a. zu der Frage, ob der Einsatz von KI eine Rechtsdienstleistung im Sinne des § 3 RDG darstellen könne, befasste sich Herr Bischoff mit den jeweils potentiellen Problemen des Einsatzes von ChatGPT im Bereich des Datenschutzes und der BRAO, dem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen und dem Urheberrecht, dem Arbeitsrecht sowie der anwaltlichen Haftung. Der Vortrag schloss mit entsprechenden Praxishinweisen für den Einsatz von ChatGPT.

Informationen zu den weiteren Veranstaltungen finden Sie auf der Website der Arbeitsgemeinschaft Verwaltungsrecht.

Dieser Text ist nicht durch ChatGPT oder eine anderweitige KI erstellt worden, sondern durch den nachfolgend unten genannten Verfasser.

Ihr Ansprechpartner:

michael oerder gr

Dr. Michael Oerder
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Verwaltungsrecht NRW im Deutschen AnwaltVerein
Telefon: 0221-973002-73
E-Mail: m.oerder[at]lenz-johlen.de

 

Verfasser dieses Beitrags:

Schanze Jan Moritz 8626 2

Dr. Jan-Moritz Schanze
Rechtsanwalt

Telefon: 0221-973002-73
E-Mail: j.m.schanze[at]lenz-johlen.de