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Die Onlinetagung stellte „Aktuelle Rechtsfragen des öffentlichen Baurechts“ in den Mittelpunkt der Vorträge und Diskussionen. Zu Beginn begrüßte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Verwaltungsrecht, Herr Dr. Michael Oerder, Lenz und Johlen Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, das Auditorium. Über 150 Teilnehmeranmeldungen beweisen das breite Interesse an der Winteronlinetagung.

Herr Dr. Oerder beendete die Begrüßung mit der Vorstellung der renommierten Referierenden und einem herzlichen Dank an deren engagierte Bereitschaft, die Wintertagung mit spannenden Vorträgen zu einer gelungenen Veranstaltung zu machen.

Die Vortragsreihe eröffnete Herr Dr. Georg Blasberg, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Köln, mit seinem Vortrag unter dem Titel „Aktuelle Fragen des öffentlichen Baurechts in der Rechtsprechung“. Anschaulich verdeutlichte der Referent zunächst, dass das Baurecht für eine „erschlagende Anzahl unterschiedlichster Entscheidungen“ sorge. Vor diesem Hintergrund bekamen die Zuhörerenden einen sehr abwechslungsreichen und kurzweiligen Vortrag zu hören. Der kurze Ritt durch das öffentliche Baurecht begann mit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Wohnungsbordellen in Mischgebieten. Der Referent fasste gezielt die bauplanungsrechtlichen Unterschiede zwischen Wohnungsprostitution und bordellartigen Betrieben hinsichtlich einer möglichen typisierenden Störpotenzialbetrachtung zusammen. Hierbei legte er besonderen Wert auf die Bestimmung der „milieubedingten Unruhe“, die durch die unterschiedlichen Arten der Prostitution in Mischgebieten hervorgerufen werden kann. Sodann wandte sich Herr Dr. Blasberg der Lagerung radioaktiver Abfälle in einem Gewerbegebiet zu und führte aus, dass zur Bestimmung einer nicht erheblichen Belästigung normative Wertungen herangezogen werden können (z.B. Strahlenschutzvorschriften). Die Reise durch baurechtliche Entscheidungen führte anschließend auf die Insel Norderney. Eine dort spielende gerichtliche Entscheidung nahm der Vortragende zum Anlass, über mögliche Sondergebietsausweisungen (§ 11 BauNVO) und die Rechtsfolgen unwirksamer Festsetzungen in einem Bebauungsplan (Gesamt-/Teilnichtigkeit) zu referieren. Es folgten im Rahmen weiterer Entscheidungen Ausführungen zum grundsätzlichen Nachbarschutz und der isolierten Anfechtung belastender Nebenbestimmungen.

Frau Prof. Dr. Angelika Leppin, Partnerin bei Weissleder Ewer Rechtsanwälte Partnerschaft mbB in Kiel und Honorarprofessorin an der Fachhochschule Kiel, übernahm im Anschluss das „Staffelholz“ mit ihrem aufschlussreichen Vortrag „Planungsschadensrecht nach §§ 39 ff. BauGB – was gibt es zu bedenken und zu beachten?“. Sie verwies zunächst auf die entscheidende Grundnorm in § 42 BauGB und referierte anschaulich zu Fragen der „zulässigen Nutzung“. Sie verwies auf den Bebauungsplan, den unbeplanten Innenbereich (§ 34) sowie den Außenbereich (§ 35), die jeweils Grundlage einer bestehenden zulässigen Nutzung sein können. Gleichzeitig wies die Referentin eindringlich darauf hin, dass eine zulässige Nutzung auch immer die gesicherte Erschließung voraussetze. Insofern könne es in einzelnen Fallkonstellationen ebenso auf eine mögliche Pflichtverdichtung einer Kommune zur allgemeinen Erschließung ankommen. Frau Prof. Dr. Leppin besprach sodann die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen im Rahmen des § 42 BauGB (u.a. Aufhebung bzw. Änderung einer zulässigen Nutzung, kausale nicht unwesentliche (=spürbare) Wertminderung). Besonderes Augenmerk legte sie auf die Abgrenzung von § 42 Abs. 2 und Abs. 3 BauGB anhand der „sieben-Jahres-Frist“. Hier könne der eher „unbekannte“ Auskunftsanspruch des Einzelnen gegen die Gemeinde aus § 42 Abs. 10 BauGB Abhilfe schaffen. Es folgte die veranschaulichende Darstellung der Regelungen in § 42 Abs. IV – IX BauGB. Zusammenfassend bereicherte die Referentin das Auditorium mit einem gelungenen Überblick über die geltenden Regelungen im Planungsschadensrecht.

Nach der Mittagspause referierte Herr Dr. Mahdad Mir Djawadi, Lenz und Johlen Rechtsanwälte Partnerschaft mbB in Köln, zu dem Thema „Klimaschutz in der Bauleitplanung“. Zunächst fasste Herr Dr. Mir Djawadi in der gebotenen Kürze die aktuellen Entwicklungen im „Klimaschutzrecht“ zusammen (insbesondere Klimaschutzbeschluss des BVerfG aus dem Jahr 2021). Gleichzeitig stellte der Referent die erhebliche Bedeutung der Bebauung und Flächenversiegelung als Klimafaktor heraus, sodass dem Baurecht eine entsprechende wesentliche Rolle zukomme. Gleichzeitig verwies er auf die Unterschiede des Klimaschutzes (Mitigation) und der Klimaanpassung (Adaption). Während ersteres im Wesentlichen durch Fachrechte mit der Unterstützung des Baurechts erfolgt, ist zweiteres aufgrund der bestehenden Sachnähe Aufgabe der bauplanenden Gemeinde. Einen Vortragsschwerpunkt setzte Herr Dr. Mir Djawadi bei möglichen Festsetzungen gemäß § 9 Abs. 1 BauGB (insbesondere Nr. 23). Abschließend stellte der Referent gewinnbringende Überlegungen zur Bedeutung des Klimaschutzbelangs in der planerischen Abwägung an. Herr Dr. Mir Djawadi stellte zunächst heraus, dass ein grundsätzlicher Vorrang nicht erkennbar sei. Er verwies aber auf die Ermittlungspflichten in § 2 Abs. 3 BauGB und führte aus, dass erhöhte Anforderungen an die Ermittlung der Klimaschutzbelange gestellt werden müssen. Auf diese Weise müsse sich eine planerische Abwägung sehr dezidiert mit diesen Belangen auseinandersetzen.

Im Anschluss folgte Herr Dr. Jörg Niggemeyer, Rechtsanwalt und Notar bei Brandi Rechtsanwälte Partnerschaft mbB in Paderborn, mit einem Vortrag unter dem Titel „Gemeindliches Vorkaufsrecht“. Der Referent zeichnet sich bezüglich dieses Themas insbesondere durch eine anwaltliche und eine notarielle Perspektive aus. Er verwies zunächst auf die wiedererstarkte Bedeutung des Vorkaufsrechts in den vergangenen Jahren (Rücknahme kommunaler Verordnungen zum Verzicht der Vorkaufsrechtsausübung). Herr Dr. Niggemeyer führte sodann aus, dass es in der praktischen Ausübung des Vorkaufsrechts immer wieder zu Fehlern komme. Dort sei daher ein Schwerpunkt anwaltlicher Beratung. Souverän referierte Herr Dr. Niggemeyer zu den bestehenden tatbestandlichen Voraussetzungen für ein gemeindliches Vorkaufsrecht. Zwingende Voraussetzung sei zunächst ein wirksamer Kaufvertrag des Verkäufers mit einem Dritten über ein Grundstück. Der Referent verdeutliche durch ausgewählte Beispiele, dass sich diese Voraussetzungen zunächst „einfach lesen“, in der Praxis aber zu komplizierten rechtlichen Fragestellungen führen können (z. B. Vorliegen gemischter Kauf- und Schenkungsverträge, Dritter im Rahmen von Veräußerungen im Konzernverband, kein grundsätzliches Vorkaufsrecht an Beteiligungen von Gesellschaften, bei denen ein Grundstück alleiniger Vermögensgegenstand ist). Der sehr informative Vortrag endete mit der Besprechung einzelner Rechtsprechungsurteile und dem Aufzeigen bestimmter formeller Ausübungsfehler, die einer Gemeinde nicht unterlaufen dürfen.

Die Wintertagung wurde durch den Vortrag von Herrn Klaus Hoffmann, Partner bei Hoffmann Greß Reitberger Sommer Rechtsanwälte Partnerschaft mbB in München, zum Thema „Aktuelle Entwicklung bei städtebaulichen Verträgen“ abgerundet. Herr Hoffmann führte zunächst grundlegend aus, was städtebauliche Verträge eigentlich sind, welche Interessen die Vertragsparteien verfolgen können und welche Arten von Verträgen es gibt. In diesem Zusammenhang verwies er auf die „Gefahr“, solche Verträge zu „überfrachten“, in dem zwischen den Regelungsinhalten keine ausreichende und angemessene Priorisierung vorgenommen werde. Dementsprechend sei im Rahmen der anwaltlichen Beratungspraxis eine Bewertung des Vertrags aus beiden Perspektiven unbedingt erforderlich. Herr Hoffmann konzentrierte seinen Vortrag u.a. auf die rechtlichen Schranken möglicher städtebaulicher Verträge. Insofern erläuterte er das Kopplungsverbot und das Angemessenheitserfordernis (u.a. Ausführungen zur erforderlichen städtebaulichen Kalkulation bestehend aus Planungskosten, Folgekosten, sonstigen Bindungen etc. und ihrem Verhältnis zum erwarteten Planungsgewinn) in anschaulicher Art und Weise für das Auditorium. In der Praxis müsse auch beachtet werden, dass der Abschluss eines städtebaulichen Vertrags nicht mehr möglich ist, sofern der Vertragspartner einen Anspruch auf die Gegenleistung habe (u.a. denkbar nach §§ 33, 34 BauGB). Abschließend führte der Referent aus, dass die aktuell schwierige Lage auf dem Baumarkt dazu führe, dass viele Projekte erst einmal nicht weiterverfolgt bzw. umgesetzt werden können. Dies mache die Anpassung vieler städtebaulicher Verträge notwendig (insbesondere mit Blick auf die Bau- und Nutzungsfristen). Der Vortrag endete mit einer Einordnung der Rechtsprechung zur Wirkungsdauer sozialer Bindungen in städtebaulichen Verträgen.

Zusammenfassend blicken die Teilnehmer auf eine gewinnbringende Wintertagung mit sehr ansprechenden und interessanten Vorträgen aus dem Baurecht zurück.

Nunmehr bleibt nur noch, allen besinnliche Festtage und einen guten Start in das neue Jahr zu wünschen.

Informationen zu den weiteren Veranstaltungen finden Sie auf der Website der Arbeitsgemeinschaft Verwaltungsrecht.

Ihr Ansprechpartner:

michael oerder gr

Dr. Michael Oerder
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Verwaltungsrecht NRW im Deutschen AnwaltVerein
Telefon: 0221-973002-73
E-Mail: m.oerder[at]lenz-johlen.de

 

Verfasser dieses Beitrags:

Hofer Nils

Nils Höfer
Rechtsanwalt

Telefon: 0221-973002-18
E-Mail: n.hoefer[at]lenz-johlen.de

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