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Mit Urteil vom 07.12.2017 – 4 CN 7/16 – hat das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung zur Festsetzung von Lärmemissionskontingenten bekräftigt und erweitert.

Werden beispielsweise Gewerbegebiete in Nachbarschaft zu schutzbedürftigen Nutzungen geplant, entstehen in der Praxis häufig Lärmkonflikte. Zur Bewältigung derartiger Konflikte im Rahmen der Bauleitplanung besteht nach gefestigter Rechtsprechung die Möglichkeit, Emissionskontingente für die lärmintensiven Nutzungen festzusetzen. Dies erfolgt für die Baugebiete nach §§ 4 bis 9 BauNVO durch eine Gliederung des Gebietes gem. § 1 Abs. 4 BauNVO i.V.m. der DIN 45691. Die Zuteilung und Festsetzung von Lärmemissionskontingenten für beispielsweise die Betriebe innerhalb eines Gewerbegebietes erfolgt hierbei über eine „Rückrechnung“. Für die an das künftige Baugebiet angrenzenden schutzbedürftigen Nutzungen wird – bezogen auf die besonders lärmempfindlichen Immissionsorte – ein Immissionswert festgelegt, der nicht überschritten werden darf. Diese Immissionswerte werden – unter Berücksichtigung der Vorbelastungen der Immissionsorte – auf flächenbezogene Emissionskontingente des Baugebietes „zurückgerechnet“.

Der aktuellen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts lag ein Bebauungsplan zugrunde, der ein eingeschränktes Gewerbegebiet festsetzte. Er sollte die Errichtung eines VII-geschossigen und geschossweise gestaffelten Gebäudes mit der Funktion eines Gewerbecenters für Einzelhandelsbetriebe, Betriebe des Dienstleistungsgewerbes, Büros und Gaststätten ermöglichen. Für das gesamte Gewerbegebiet wurde ein einheitliches Emissionskontingent von 58 dB(A) tags und 43 dB(A) nachts festgesetzt.

Der Verwaltungsgerichtshof München erklärte den Bebauungsplan in seinem Urteil vom 28.07.2016 – 1 N 13.2678 – für unwirksam. Er vertrat die Auffassung, es fehle an einer geschossweisen Festsetzung der Lärmemissionskontingente und damit an der erforderlichen Betriebs- oder Anlagenbezogenheit der festgesetzten Emissionskontingente.

Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar bestätigt, dass der Bebauungsplan unwirksam war; es stützt dies allerdings auf eine abweichende Begründung. Denn Emissionskontingente können gerade nicht geschossweise, sondern nur flächenmäßig festgesetzt werden. Die Vorinstanz habe übersehen, dass mit den festgesetzten Emissionskontingenten das Immissionsgeschehen des Gewerbecenters als Eigenschaft einer Anlage gelenkt werde. Allerdings fehle es an der von § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO vorausgesetzten internen „Gliederung“ des Baugebietes. Die Festsetzung eines einheitlichen Emissionskontingents für das gesamte Baugebiet sei nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von der Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt. Es sei zudem erforderlich, dass in einem intern gegliederten Baugebiet ein Teilgebiet ohne Emissionsbeschränkung oder ein Teilgebiet verbleibe, das jeden nach § 8 BauNVO zulässigen Betrieb ermögliche. Über die fehlende interne Gliederung des Baugebietes könne auch § 1 Abs. 4 Satz 2 BauNVO, wonach die Festsetzungen auch für mehrere Gewerbegebiete einer Gemeinde im Verhältnis zueinander getroffen werden können, nicht hinweghelfen. Zwar könne ein Gewerbegebiet vollständig beschränkt werden, wenn in einem anderen Gewerbegebiet derselben Gemeinde keine Emissionsbeschränkungen gelten. Die Wirksamkeit einer gebietsübergreifenden Gliederung hänge allerdings zusätzlich von einem hierauf gerichteten planerischen Willen der Gemeinde ab. Die Gemeinde müsse also in diesem Fall positiv feststellen, dass sich in der Gemeinde mindestens ein Gewerbegebiet ohne Beschränkung befindet. Hieran fehlte es in dem entschiedenen Fall.

Praxishinweis:

Nach den durch das Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätzen dürften viele in der Vergangenheit aufgestellte Bebauungspläne mit festgesetzten Lärmemissionskontingenten unwirksam sein. Denn in vielen Fällen der Lärmemissionskontingentierung dürfte es an unbeschränkt nutzbaren Flächen in dem Plangebiet fehlen. Auch fehlt es häufig an einem planerischen Willen für eine plangebietsübergreifende Gliederung. Bei derartigen unzulässigen Festsetzungen handelt es sich um sog. „Ewigkeitsmängel“, die auch nach Ablauf der einjährigen Rügefrist nach § 215 BauGB noch geltend gemacht werden können. Ob ein Bebauungsplan nach den obigen Grundsätzen wirksam ist und einem konkret beantragten Vorhaben entgegengehalten werden kann, muss in jedem Einzelfall geprüft werden.

Ansprechpartner:

Bela GehrkenBéla Gehrken
Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Telefon: 0221-973002-13
E-Mail: b.gehrken[at]lenz-johlen.de

 

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